Einen Eindruck der Gesamtentwicklung gewinnt man aus Abb. 1: In Karpfenertrag dieser Grafik sind die Fischfänge der Berufsfischer für jedes Jahr in ihrer prozentualen Zusammensetzung aufgetragen, nur grob unterschieden in den Karpfenertragprozentualen Anteil an Felchen, an Barschen und den zusammengefassten Anteil aller verbleibenden anderen Arten. Der Felchenanteil sank ausgehend von etwa 70 % in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts auf teilweise weniger als 30 % in den sechziger und siebziger Jahren ab. Mit dem Nährstoffrückgang im See stieg dieser Anteil zum Ende des Jahrhunderts wieder auf 70 bis 80 % an. Der ursprünglich von Coregonen (Felchen) geprägte See hat sich nach zwischenzeitlich gravierenden Verschiebungen hin zu einem hohen Barsch und Cyprinidenanteil im Bestand wieder zum Coregonensee zurückentwickelt.

BarschertragBarschertrag Nur geringe Änderungen im Artenbestand ... In dieser ersten überblicksweisen Betrachtung deutet sich an, dass die artenmäßige Zusammensetzung des Fischbestandes über die letzten Jahrzehnte weitgehend gleich geblieben ist; verändert haben sich die Häufigkeiten des Auftretens einzelner Arten. Nur eine Art ist verschwunden und wenige Arten sind neu hinzugekommen: Bereits seit den sechziger Jahren als verschollen gilt das Kropffelchen oder Kilch. Möglicherweise verschwand diese Art mit der ersten Eutrophierungswelle, bevor die Fischerei Schutzmaßnahmen ergreifen konnte. Klare Ursachen für das Verschwinden des Kilches sind aber nicht belegt. Auf unterschiedliche Weise und zu verschiedenen Zeiten neu zum Fischbestand hinzugekommen sind der Dreistachlige Stichling, die Regenbogenforelle, der Kaulbarsch und der Blaubandbärbling. Aufgrund des Besatzverbots im Bodensee und in den deutschen Bodenseezuflüssen werden jährlich nur noch einige hundert Kilogramm Regenbogenforelle gefangen und die Art hat sicherlich keine große Bedeutung im See. Hechtertrag Kaulbarsch (Abb. 2) und 3-stachliger Stichling treten zahlenmäßig zumindest in einzelnen Jahren sehr häufig auf. Über diese Arten hinaus finden sich im Bodensee, wie letztlich in allen großen Gewässern, immer eine Reihe einzelner Exemplare von Exoten, Fischen die aus Aquarien entsorgt wurden oder aus Teichhaltungen entkommen sind. Ihr Auftreten ist sicherlich nicht wünschenswert, den auch einzelne Exemplare solcher Arten können beispielsweise Parasiten oder Krankheiten übertragen und für heimische Arten hierdurch eine potentielle Gefahrenquelle darstellen. Aber im Normalfall setzen sich diese Einzelfische exotischer Arten nicht durch.

 

Einige Entwicklungen im Detail

HechtertragNicht alle Bodenseefischarten zeigten in der Vergangenheit in ihrer Bestandsentwicklung Abhängigkeiten vom stark ansteigenden Nährstoffverlauf; bei einigen Arten waren die Zusammenhänge mit dem ansteigenden Phosphor- Gehalt aber sehr deutlich. So nahmen einige karpfenartige Fische, wie Rotauge und Hasel, ab Mitte der fünfziger Jahre stark zu. Ihre Bestände gingen mit dem rückgehenden P-Gehalt aber auch wieder schnell zurück. Beispiel für einen solchen Zusammenhang sind die in der Bodenseefischereistatistik als „sonstige Weißfische“ zusammengefassten Arten, darunter hauptsächlich Rotauge und Hasel (Abb. 3 und 4). Mit stärkeren jährlichen Schwankungen, ansonsten aber einen ähnlichen Verlauf zeigt die Ertragsentwicklung beim Barsch, Egli oder Kretzer (Abb. 5 und 6), der von Berufs- und Angelfischerei gleichermaßen gesucht ist. Bei dieser Art werden neben dem Zusammenhang mit dem Eutrophierungsverlauf jedoch auch andere Faktoren, wie beispielsweise die Konkurrenz mit dem Kaulbarsch, als maßgeblich für die Bestandsentwicklung angesehen. Weissfischertrag Eine zur Phosphorkurve fast gegenläufige Bestandsentwicklung zeigt der Hecht (Abb. 7 und 8), obwohl zu Zeiten hoher Eutrophierung mit den zahlreichen Weißfischen ein für den Hecht gutes Futterangebot vorhanden war. Eine Ursache für den in den sechziger bis achtziger Jahren stark zurückgehenden Hechtbestand wird im damaligen Uferverbau und der Auffüllung flacher Buchten gesehen. Damit gingen zahlreiche Laichplätze verloren und die Fortpflanzung wurde erheblich gestört. Ähnlich wie beim Hecht ging auch der Seeforellenbestand zwischen 1955 und 1985 kontinuierlich und bestandsgefährdend stark zurück, so dass für diese Art eine ganze Reihe von Stützungsmaßnahmen ergriffen werden mussten. Aber auch bei der Seeforelle war der sich verändernde Nährstoffgehalt des Sees höchstens eine von mehreren Ursachen für den Rückgang. Insbesondere wurde dieser Wanderfischart, die zum Laichen weit in die Bodenseezuflüsse aufsteigt, durch den Verbau der Wanderwege mit Wehren und Kraftwerken, das Erreichen ihrer Laichplätze unmöglich gemacht. Mittlerweile wurde diese Beeinträchtigung durch den Bau zahlreicher Fischpässe verringert und der Bestand erholte sich. Der Jahresertrag beim Karpfen (Abb. 9 und 10), ein für den Bodensee-Obersee eher untypischer Fisch, lag in den fünfziger Jahren oberhalb 4 t und in der Folgezeit bei nur ca. einer Tonne. Im warmen Sommer des Jahres 2003 entwickelte sich die Brut dieser wärmeliebenden Fischart (die sich temperaturbedingt in unseren Gewässern keineswegs in jedem Jahr fortpflanzen kann) ausgesprochen gut und in den Folgejahren wurden Jahreserträge bis zu 14 t erzielt, obwohl die Bestände anderer karpfenartiger Fische zurückgingen.
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Das Fazit

felchenDie wenigen aufgeführten Beispiele machen klar, dass sich die Fischbestände des Bodensees in den letzten hundert Jahren teilweise gravierend veränderten. Dies betraf aber weniger die artenmäßige Zusammensetzung, sondern überwiegend Zunahmen oder Rückgänge in der Bestandsgröße. Die Rückgänge waren teilweise so gravierend, dass einzelne Fischarten mit unterschiedlichen Massnahmen durch die Fischerei gefördert werden mussten. Nicht alle Veränderungen hingen (vorrangig) mit dem zeitweise steigenden Nährstoffgehalt (Eutrophierung) des Sees zusammen, der am besten mit der Entwicklung der Phosphorwerte charakterisiert wird. Dennoch zeigt sich sehr klar, dass der Bodensee-Obersee in Abhängigkeit von der Nährstoffsituation den Charakter des nährstoffarmen Coregonensee verlor, Cyprinidenarten und der Barsch an Bedeutung gewannen. Seit 10 bis 15 Jahren findet jedoch parallel zur Oligotrophierung (Nährstoffrückgang) eine Rückentwicklung zum Coregonensee statt.

Weissfischertrag